fragwürdig wurde in der Zeit der Romantik von August Wilhelm Schlegel für seine Übersetzung von William Shakespeares Tragödie „Hamlet“ gebildet.❬ref name=MS_366❭.❬/ref❭ Zuvor war das Wort der deutschen Sprache völlig fremd gewesen. In der Übersetzung diente es dazu, als Notbehelf das englische questionable in der Anrede Hamlets an den Geist (I, IV, 43) wiederzugeben:❬ref name=MS_367❭.❬/ref❭
„Thou comest in such a questionable shape
That I will speak to thee❬ref❭The Tragedy of Hamlet, Prince of Denmark❬/ref❭“.
Hier wird fragwürdig zum ersten Mal in der deutschen Sprache verwendet.❬ref name=MS_366/❭ questionable kommt in dieser Passage die Bedeutung ‚zu einer Frage herausfordernd‘ zu und dies war auch zunächst die Bedeutung von fragwürdig.❬ref name=MS_367/❭Bildungen mit der Endung -able, die über das Französische auf das lateinischehabilis ‚fähig, tauglich, geeignet‘ zurückgeht, sind im Englischen seit mittelenglischer Zeit weit verbreitet.❬ref name=MS_367/❭ -able kann dabei die Bedeutungen ‚fit for doing‘ und ‚fit for being done‘ haben.❬ref name=MS_367/❭ Im Deutschen werden diese Bildungen ganz unterschiedlich wiedergegeben (als Beispiele: comparable – vergleichbar; profitable – vorteilhaft; comfortable – behaglich).❬ref name=MS_367/❭ Als Vorbilder für Schlegels Übersetzung von -able mit -würdig könnten aber Fälle wie blamable ‚tadelnswert, tadelnswürdig‘ oder damnable ‚verdammenswert, verdammungswürdig‘ gedient haben.❬ref name=MS_367/❭ Dass sich die Bedeutung von fragwürdig in der Folgezeit sehr rasch von ihrem ursprünglichen Sinn hin zu dem heute fast allein maßgeblichen Verständnis ‚zweifelhaft, verdächtig‘ wandelte, zeigt schon ein Blick in das Grimmsche Wörterbuch:❬ref name=MS_367/❭ Im Eintrag „fragwürdig“ ist als Bedeutungsangabe „dubius, zweifelhaft, verdächtig, unsicher?“ zu lesen. Das Fragezeichen dahinter ist ein Hinweis darauf, dass dem Bearbeiter die Bedeutungswandlung des Wortes seltsam vorkam.❬ref❭❬/ref❭ Diese Wandlung lässt sich wahrscheinlich mit den gedanklichen Strömungen während der Epoche der Romantik erklären: Alles Bisherige wurde skeptisch in Frage gestellt und geriet daraufhin ins Schwanken.❬ref❭❬/ref❭ fragwürdig dürfte im Zuge dieser Entwicklung als Beschreibung für etwas Dubioses und Fragliches entweder missverstanden oder einfach angewendet worden sein und erhielt so seine neue Bedeutung.❬ref❭.❬/ref❭
[1] Taxifahrer kennen sich in ihrer Stadt sehr gut aus und sind deswegen sehr fragwürdige Auskunftspersonen, wenn man eine bestimmte Straße sucht.
[1] „Die erste fragwürdige Person, auf die man achtet, weil so viel von ihr abhängt, ist in Paris, so oft man miethet, der Portier; hat aber der Portier eine Tochter und ist man selbst nicht viel mehr als zwanzig Jahre alt, so ist diese Tochter noch bei weitem fragwürdiger und wird vor Allem ihr die Aufmerksamkeit des Miethsmannes zugewendet.“❬ref❭Moritz Hartmann: Nach der Natur, Zweiter Band, Stuttgart 1866, S. 173❬/ref❭
[2] Diese Einladung kommt mir mehr als fragwürdig vor.
[2] Heiner ist ein Mann von fragwürdigem Charakter. Man hat immer den Eindruck, er habe etwas zu verbergen.
[2] Dies ist ein Pullover von höchst fragwürdiger Qualität.
[2] Herr Meier ist ein Mitarbeiter mit äußerst fragwürdigen Qualitäten. So richtig versteht niemand, warum er eingestellt wurde.
[2] Es ist ziemlich fragwürdig, welchen Wert diese Untersuchung haben soll.
[2] Deine Tätigkeit hier ist von fragwürdigem Nutzen.
[1,] Müller-Seedorf, Günther: »Fragwürdig« – Zu Ursprung und Geschichte eines vielgebrauchten deutschen Wortes, in: Muttersprache 77 (1967), Seite 366–371
[1,] , unter „Frage“, Seite 369
[2] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache fragwürdig